Drei Entscheidungen zur Umsatzsteuer bei Heilbehandlungen

Der Bundesfinanzhof hat den Begriff der Heilbehandlungen in drei Entscheidungen genauer konkretisiert. Inwiefern der BFH Begriff und Umfang der medizinisch-therapeutischen Zwecke erweitert hat, erfahren Sie in unserem Blog.

Leistungen eines Arztes im Rahmen des ärztlichen Notdienstes können umsatzsteuerbefreit sein (BFH 2.8.18, V R 37/17), jedoch diagnoseunabhängige Leistungen eines Gesundheitszentrums nicht (BFH 11.1.19, XI R 29/17, BStBl 19,178). Der Bundesfinanzhof hat den europäischen Gerichtshof bei der umsatzsteuerlichen Behandlung von telefonischen Gesundheitscoaches und Patientenbegleitprogrammen um eine Stellungnahme gebeten (BFH 18.9.18,XI R 19/15, BStBl II 19, 178).

1. Begriff und Umfang der Umsatzbefreiung von Heilpraktikern und Gesundheitsfachberufen

Heilbehandlungen müssen von einem beruflich qualifizierten Erbringer mit einem medizinisch-therapeutischen Ziel durchgeführt werden, wenn sie umsatzsteuerfrei sein sollen.

1.1 Maßnahmen mit medizinisch-therapeutischem Zweck

Die umsatzsteuerbefreiten Leistungen müssen dem Schutz der Gesundheit des Betroffenen dienen. Solche Heilbehandlungen sind Tätigkeiten, die zur Vorbeugung, Diagnose, Behandlung und soweit möglich, zur Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen bei Menschen vorgenommen werden.

1.2 Maßnahmen mit außermedizinisch-therapeutischen Zwecken

Da die Behandlungen in der Praxis oft eine Doppelnatur aufweisen - sie können sowohl einem konkreten medizinisch-therapeutischen Ziel, aber auch außermedizinisch-therapeutischen Zwecken dienen - stellt sich die Abgrenzungsfrage. Hier ein paar Beispiele:

  • Bei heilpädagogischen Leistungen handelt sich es nur um umsatzsteuerbefreite Leistungen, wenn sie an der Ursache der Krankheit ansetzen und nicht nur darauf abzielen, die Auswirkungen der Erkrankung abzumildern.

  • Dem allgemeinen Wohlbefinden zugutekommende Maßnahmen sind umsatzsteuerpflichtig, auch, wenn sie von einem Angehörigen eines Heilberufs erbracht werden, es sei denn, es liegt hierfür eine ärztliche Anordnung vor.

  • Vorbeugende Untersuchungen und ärztliche Maßnahmen bei Personen, die an keiner Krankheit oder Gesundheitsstörung leiden und Leistungen, die zum Schutz und Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der menschlichen Gesundheit erbracht werden, gehören zu den umsatzsteuer-befreiten Heilbehandlungen. Leistungen zur Verbesserung des allgemeinen Gesundheits-zustandes, zur Prävention und Selbsthilfe nach § 20 SGB V sind umsatzsteuerpflichtig.

1.3 Leistungen mit unmittelbarem Bezug zur Heilbehandlungstätigkeit

Der Bundesfinanzhof sieht das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient nicht mehr als zwingende Voraussetzung für die Umsatzsteuerbefreiung an. Davon betroffen sind z.B. infektionshygienische Leistungen und auch bei Laboruntersuchungen zeichnet sich eine ähnliche Entwicklung ab.

2. Die jüngeren BFH-Entscheidungen

Der BFH wendet in den folgenden drei Entscheidungen im Wesentlichen seine Rechtsprechung zur umsatzsteuerfreien Heilbehandlung an. Für die Frage, wie künftig mit Leistungen im Rahmen der Telemedizin umzugehen ist, ist die EuGH-Vorlage zum telefonischen Gesundheitscoaching von Interesse.

2.1 Diagnosefreie Leistungen eines Gesundheitszentrums

Der BFH (11.1.19,XI R 29/17, PFB 9, 115) hat entschieden, dass es sich bei Leistungen eines Gesundheitszentrums, die unabhängig von einem medizinisch diagnostizierten Krankheitsbild erbracht werden, nicht um steuerfreie Krankenhausbehandlungen oder ärztliche Heilbehandlungen handelt, da die therapeutische Zweckbestimmung fehlt. Im Streitfall war der Aufenthalt in der Einrichtung nicht von einem ärztlichen Befund abhängig und die Kunden konnten selbst über ihren Besuch, dessen Dauer und den Umfang der Leistungen entscheiden.

2.2 Notärztlicher Bereitschaftsdienst

Leistungen eines Arztes, die im Rahmen eines Notdienstes erbracht werden, sind steuerfreie Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, wenn diese dazu dienen, gesundheitliche Gefahrensituationen zu erkennen, damit sofort geeignete Maßnahmen eingeleitet werden können und ein größtmöglicher Erfolg einer (späteren) Behandlung sichergestellt wird
(BFH 2.8.18, V R 37/17). Der klagende Arzt hatte den Bereitschaftsdienst für Sport- und ähnliche Veranstaltungen übernommen und war die ganze Zeit vor Ort.

Praxistipp: Fälle der reinen Rufbereitschaft sind höchstrichterlich noch nicht entschieden.

2.3 Beratung durch telefonischen Gesundheitscoach (Telemedizin)

Im Streitfall betrieb eine GmbH im Auftrag gesetzlicher Krankenkassen ein Gesundheitstelefon zur Beratung der Versicherten in medizinischer Hinsicht. Die Beratungen wurden durch Krankenschwestern und medizinische Fachangestellte erbracht. In ca. einem Drittel der Fälle wurde ein Arzt hinzugezogen.

Hier stellt sich nicht nur die Frage, ob ein medizinisch-therapeutischer Zweck vorhanden ist, sondern es wird die Frage nach der Befähigung aufgeworfen.

2.3.1 Medizinisch-therapeutischer Zweck

Selbst Leistungen, die ein unerlässlicher, fester und untrennbarer Bestandteil der gesamten Heilbehandlung sind, müssen mit einem therapeutischen Zweck verbunden sein. Der BFH vertritt in einem Vorlagebeschluss die Auffassung, dass die im Rahmen eines Gesundheitstelefons erbrachten Leistungen nicht unter die Umsatzsteuerbefreiung fallen, da u. a. nicht feststeht, ob sich an die Beratung eine ärztliche Heilbehandlung anschließt.

2.3.2 Befähigung

Der BFH hält es weiterhin für fraglich, ob es für die Telemedizin zusätzlicher Anforderungen bedarf, genauso wie für die Patientenschulungen. In der nicht bindenden gemeinsamen Empfehlung der Verbände der Krankenkassen wird gefordert, dass die Patientenschulungen von einem qualifizierten Schulungsteam und einem Facharzt des jeweiligen Gebiets durchzuführen sind. Dieser Fall wurde dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt.

Es bleibt spannend und wir halten Sie weiter auf dem Laufenden.

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