

Gastbeitrag - Das Ende einer jahrzehntelangen Praxis bei arbeitsgerichtlichen Vergleichen
Wir freuen uns, Ihnen heute wieder einen Gastbeitrag von Herrn Philipp Schneider, Fachanwalt für Arbeitsrecht aus Dresden zur Verfügung stellen zu können.
Das Ende einer jahrzehntelangen Praxis bei arbeitsgerichtlichen Vergleichen:
"Es besteht Einigkeit, dass die Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers in vollem Umfang in natura erfüllt worden sind.“
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hält solche Vergleichsklauseln für unwirksam, weshalb ein Arbeitnehmer seinen restlichen Urlaubsanspruch trotz des Vergleiches weiter einklagen kann.
(Kündigungs-)Streitigkeiten werden vor den Arbeitsgerichten in vielen Fällen durch einen Vergleich beendet. Die Parteien wollen dabei regelmäßig nicht nur Klarheit über das Ende des Arbeitsverhältnisses schaffen, sondern auch alle anderen Streitpunkte - insbesondere im Hinblick auf die (Rest-)Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers – verbindlich klären. Der Arbeitgeber lässt sich auf Zahlung einer Abfindung ein, will darüber hinaus aber nicht auch noch Urlaubsansprüche abgelten müssen.
Hierzu entsprach es jahrzehntelanger Praxis, in einen Beendigungsvergleich mit Abfindungszahlung die Formulierung aufzunehmen: „Die Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers sind in vollem Umfang in natura erfüllt worden.“ Es handelt sich hier um eine Einigung über Tatsachen, einen sog. Tatsachenvergleich.
Dieser jahrelangen und durchaus bewährten Praxis hat das Bundesarbeitsgericht jetzt mit einer aktuellen Entscheidung vom Juni 2025 (Aktenzeichen 9AZR 104/24) ein Ende gesetzt.
Ein solcher Tatsachenvergleich laufe – so das BAG - letztlich darauf hinaus, dass der Arbeitnehmer auf seinen Urlaubsanspruch entgegen dem gesetzlichen Verbot nach § 13 Abs. 1 BUrlG verzichte. Weder der Anspruch auf den Erholungsurlaub noch der Anspruch auf Abgeltung des Urlaubes dürfe im bestehenden Arbeitsverhältnis im Vorhinein beschränkt oder gar ausgeschlossen werden. Dies lasse das Gesetz (BurlG) ausnahmslos nicht zu.
Dies gilt - ausdrücklich - nicht nur für Vereinbarungen, die Arbeitgeber und Arbeitnehmer unmittelbar miteinander schließen, sondern auch für solche Vergleiche, die die Parteien zur Beendigung eines Prozesses durch das Arbeitsgericht feststellen lassen. Es handele sich in diesen Fällen – so das BAG – auch nicht wirklich um einen Tatsachenvergleich, denn letztlich bestünde zwischen den Parteien gar kein Streit über den Urlaubsumfang. Tatsächlich werde hier über das Arbeitsgericht nur der Verzicht auf (Rest-)Urlaub vereinbart, was nach § 13 Abs. 1 BurlG aber unwirksam sei.
Während also im bestehenden Arbeitsverhältnis ein solcher Tatsachenvergleich unter keinen Umständen mehr möglich ist, liegt der Fall anders, wenn das Arbeitsverhältnis bereits beendet ist. Insoweit kann ein wirksamer Vergleich über den Resturlaub bzw. - eigentlich - über die Abgeltung des Resturlaubs geschlossen werden. Für beide Parteien ist es hier allerdings wichtig, darauf zu achten, ob eine Verfallklausel vereinbart worden ist (Ansprüche müssen binnen einer Mindestfrist von drei Monaten geltend gemacht werden). Verpasst der Arbeitnehmer die Einhaltung dieser Frist, verliert er den Abgeltungsanspruch. Der Arbeitgeber muss den Ablauf der Verfallfrist prüfen, bevor er vorschnell eine Urlaubsabgeltung zahlt.
Wir danken Herrn Philipp Schneider, Fachanwalt für Arbeitsrecht aus Dresden, der uns freundlicherweise diesen Beitrag zur Verfügung gestellt hat und freuen uns Ihnen auch zukünftig wieder Themen zum Arbeitsrecht zur Verfügung stellen zu können.
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